Von Meilenstein zu Meilenstein Boeing befindet sich in einer Selbstfindungs- Krise. Allen Bemühungen zum Trotz hat der traditionsreiche Flugzeug-Gigant es nicht vermocht, den Aufstieg von Airbus zu verhindern. Boeing baut nicht mehr das unbestritten größte Zivilflugzeug der Welt und schlimmer noch: der amerikanische Hersteller ist unsicher, wie er die ehemalige Dominanz wiedererlangen kann. Der revolutionäre Sonic Cruiser findet wenig Gefallen bei den Airlines und der noch revolutionärere Großraum- Nurflügler scheint den Boeing-Bossen zu risikoreich... Noch vor zwei Jahren war Boeing der unbestrittene Marktführer für zivile Flugzeuge - und das Dank seiner revolutionären Fähigkeiten, mit einer feinen Witterung für die Bedürfnisse des Marktes jeweils wagemutige neue Flugzeugkonzepte zum Erfolg zu bringen. Die Liste der Boeing Meilensteine las sich beeindruckend: Das erste amerikanische Ganzmetall- Verkehrsflugzeug, die Druckkabine, der erste erfolgreiche Passagierjet und - seit dreissig Jahren - das grösste Passagierflugzeug der Welt: Boeing hat der zivilen Luftfahrt die Richtung gewiesen. Das scheint Vergangenheit. Den Wettlauf um den Super-Jumbo hat Boeing gegen seinen neu erstarkten europäischen Erzrivalen Airbus verloren: Der Airbus A380 markiert hier die neue Grösse und der Boeing Gegenentwurf einer gestreckten 747-X konnte die Flug- gesellschaften nicht überzeugen. Anschließend hat der amerikanische Konzern das Projekt eines mit Deltaflügeln ausgerüstetes besonders schnellen Passagierflugzeugs im Unterschall präsentiert. Das Boeing 20XX genannte Konzept sollte (einmal mehr) zum Meilenstein der Vekehrsluftfahrt werden, doch auch hier haben die Airlines wenig Interesse gezeigt. Boeing scheint die Fortune verlassen zu haben. Zwar geistert nun das noch revolutionärere Konzept eines Großraum-Nurflüglers durch die Fachwelt. Aber Boeing hat sich offiziell noch nicht zu diesem Konzept durchringen mögen. 1997 hat Boeing seinen amerikanischen Konkurrenten McDonnell Douglas übernommen. Die Eingliederung ist vergleichsweise geräuschlos gelungen. So können sich die Amerikaner nun auf das Geschäft konzentrieren. Boeing mußte die jüngst von der amerikanischen Aufsichtsbehörde kritisierten Qualitätsmängel der Produktion ausmerzen. Nun steht der Hersteller vor der Herausforderung, ein angemessenes Verhältnis zwischen Rüstungsindustrie und Zivilluftfahrt zu finden. Die Auseinandersetzung mit dem einzig verbliebende Wettbewerber, der europäischen Airbus, führt Boeing energisch, verbissen und mit der ganzen Härte, zu der amerikanisches Management fähig ist. Dennoch hat Airbus in guten Jahren schon mehr Flugzeuge verkauft als der ehemalige Marktführer und alle Prognosen weisen daraufhin, dass dies künftig regelmäßiger gelingen könnte. Auch die Auseinandersetzung um den Super-Jumbo, den Boeing trotz aller Bemühungen nicht verhindern konnte, ist eine herbe Schlappe für die Amerikaner. Denn das europäische Angebot erschüttert das Monopol der Boeing 747, deren Bedeutung für die Marktstellung von Boeing kaum unterschätzt werden kann. Zeitweise hat der Jumbo-Jet mehr als zwei Drittel des operativen Profits zum Boeing Ergebnis beigesteuert. (zuletzt bearbeitet am 20. Dezember 2002) |